Findling bei Wonneberg: Hobby-Geologen enttäuscht über Desinteresse des Landesamts
Nein, es ist kein keltischer Goldschatz wie der von Manching. Es ist auch keine frühbronzezeitliche Himmelsscheibe wie die von Nebra. Es ist schlicht und einfach ein Felsblock – allerdings von eindrucksvollem Ausmaß.
Nun ist der Anblick eines Felsens für alpingewohnte Vorlandbewohner nicht unbedingt atemberaubend. Zieht man allerdings in Betracht, dass es an der Fundstelle gar keine Felsen geben dürfte, weil im Untergrund nur dichter Lehmboden zu finden ist und darunter eine kilometerdicke Decke aus feinem Molassematerial, das die Flüsse aus den sich bildenden Alpen im Vorlandstrog hinterlassen haben, sieht die Sache schon etwas anders aus. Es muss sich also um einen sogenannten Findlingsblock handeln, den der Salzach-Saalach-Gletscher während der letzten Eiszeit (Würm-Eiszeit) hierher ins Vorland verfrachtet hat, wo er beim Gletscherrückzug dann ausgeschmolzen ist.
Findling hat beeindruckenden Umfang
Der Austragsbauer Hans Maier aus Unterwendling, etwas südlich von Sankt Leonhard, zu dessen Hof der Acker mit der Fundstelle gehört, hat ihn freigelegt und damit den Blicken von Interessierten zugänglich gemacht. Nun sind Findlingsblöcke im Bereich der Grundmoräne auf der Hochfläche von Wonneberg nicht unbedingt etwas Besonderes. Vor mehreren Bauernhöfen liegen sie ausgestellt und gesäubert als Blickfang. Was den Fund von Unterwendling so außergewöhnlich macht, ist sein wirklich beeindruckender Umfang: Er misst in der Länge immerhin 7,10 Meter und in der Breite 5,70 Meter. Da er nur bis zu einer Tiefe von etwa einem Meter freigelegt ist, steht zu vermuten, dass er in dieser Dimension auf einen analogen Wert kommt. Eingebettet ist er in das typische Material der Grundmoräne, den sogenannten Till, einem vom Gletscher zerriebenen Geschiebemergel, das weitgehend wasserundurchlässig ist. Hans Maier erzählt, schon als Kind seien ihm auf dem Feld zwei felsige Erhebungen aufgefallen, die aus dem Boden gespitzt haben. Das hat sein Interesse geweckt und ihm keine Ruhe gelassen. Im Frühjahr des vergangenen Jahres hat er sein lange gehegtes Vorhaben umgesetzt und mit Hilfe seiner Familie und Kameraden der örtlichen Feuerwehr, deren Kommandant er lange Zeit war, einen Ringgraben um den Stein angelegt und den Felsblock bis in die genannte Tiefe ans Tageslicht gebracht.
Mit kräftigem Wasserstrahl wurde die Oberfläche gereinigt, sodass die Gesteinsstrukturen klar sichtbar wurden. Leider füllten das zum Einsatz gebrachte Wasser und ergiebige Niederschläge den Graben teilweise auf. Es sind daher nur die oberflächennahen Bereiche des Findlings zu sehen, zumal sich eine dicke Algenschicht auf dem Wasser gebildet hat. Hans Maier behielt den Fund nicht für sich, sondern informierte eine ganze Reihe von einschlägigen Behörden, bekannten Fachleuten zur Thematik und die umgebenden Heimatvereine über seine Entdeckung. Die Resonanz war mäßig bis komplett ausbleibend. Hobby-Mineralogen eines benachbarten Heimatvereins nahmen das Gestein in Augenschein und versuchten eine Analyse der auffallend vielgestaltigen Strukturen unterschiedlicher Bereiche des Felsblocks. Auch sie schlossen sich anderen Stimmen an, die den Fund als bedeutungslos qualifizierten und dem Bauern empfahlen, ihn einfach wieder zuzuschütten. Mit der vorläufigen Analyse der Gesteinsarten dürften sie allerdings recht haben. Dazu später mehr. Echtes Interesse an der Sache zeigte der Waginger Verein für Heimatpflege und Kultur. Dessen Vorsitzender Alfons Schmuck besichtigte in Begleitung des Autors dieses Berichts zusammen mit Hans Maier die Fundstelle; sie vermaßen den Stein, fertigten etliche Fotos und stellten Vermutungen zur Art und Herkunft des Gesteins an.
Der Fund wurde umgehend an das Bayerische Landesamt für Umwelt gemeldet, in das seit etlichen Jahren das Landesamt für Geologie integriert ist. Die Antwort war ernüchternd: Das Landesamt sehe sich nicht in der Lage, den erratischen Block durch seine Fachleute begutachten zu lassen. An seine Freilegung und Ausstellung sei aus finanziellen Gründen nicht zu denken. Man möge doch Fotos machen und zusammen mit Informationen über Gesteinsart und mutmaßliche Herkunft an das Landesamt schicken. Dort werde das dann dokumentiert. Man habe nichts dagegen einzuwenden, dass der Findling im Anschluss daran wieder zugeschüttet wird.
Nun ist einzuräumen, dass angesichts dieser Entwicklung durchaus der Eindruck entstehen könnte, ein paar Vereinsgschaftler und Wichtigtuer überschätzten einfach die Bedeutung des Fundes und nähmen nicht hin, dass die Angelegenheit stillschweigend beendet werde. Dem stehen allerdings einige Argumente entgegen: Soweit dem Verfasser die einschlägige Gesetzeslage bekannt ist, besagt diese, dass Funde der oben beschriebenen Art ab einer Größe von zwei mal zwei Metern unverzüglich den zuständigen Behörden gemeldet werden müssen. Änderungen oder Bearbeitung des Fundes haben zu unterbleiben, bis eine behördliche Begutachtung stattgefunden habe.
„In Bayern besteht keine Pflicht zur Meldung“
Im Widerspruch dazu steht eine Anfrage der Südostbayerischen Rundschau an das Bayerische Landesamt für Umwelt, welche ein Sprecher folgendermaßen beantwortete: „In Bayern besteht keine Pflicht zur Meldung eines potentiellen Geotops. Dem Bayerischen Landesamt für Umwelt liegt eine Meldung von Herr Willibald Fritz vom 24. August 2023 vor. Bei dem beschriebenen Findling handelt es sich augenscheinlich um eine so genannte Breccie aus dem Ramsau-Dolomit. Solche Findlinge, auch in der beschriebenen Dimension, kommen im Umfeld von Waging häufiger vor.“
Im ehemaligen Gemeindegebiet von Pierling, auf heutigem Gemeindegebiet von Waging am See, ist zwischen Dankerting und Hurtöst der sogenannte Bitterstein zu finden. Dieser ist gleichfalls ein Findling aus der Würm-Eiszeit und besteht aus Wettersteinkalk. 1915 wurde er in einer Putzaktion von Bewuchs und Moosen befreit und 1953 als Naturdenkmal unter Schutz gestellt, vermutlich nicht ohne Beteiligung einschlägiger Behörden. In der amtlichen Liste der Geotope ist er mit der Nummer 189R003 ausgewiesen. Sowohl die amtliche Liste als auch das Erklärungsschild, das man vor Ort findet, weisen den Bitterstein als heimatkundlich bedeutend aus, das Schild sogar als Naturdenkmal von höchstem Range. Nun ist es den Vertretern des Heimatvereins absolut klar, dass die Bergung und Ausstellung des Findlingsblocks unverhältnismäßig hohe Kosten verursachen würde. Er ist sicher mehr als 100 Tonnen schwer, was den Einsatz sehr teuren Spezialgeräts erfordern würde. Was den Verein bewegt, ist „das sang- und klanglose Abtun des Fundes. Warum könne man nicht gemeinsam überlegen, wie man angemessen damit umgeht?“ fragen sich die Vereinsmitglieder. Ein gemeinsames Gespräch mit Lokalpolitikern, amtlichen Vertretern, Fachleuten, Heimatpflegern und Heimatvereinen könnte möglicherweise Ideen hervorbringen, wie man den Fund in Erinnerung behält – wenn man ihn entsprechend untersucht und dokumentiert hat. Zum Fundort: Wenn man in Sankt Leonhard von der Pater-Bernhard-Straße in Richtung Unterwendling abbiegt, liegt der Fels etwa 200 Meter westlich der Straße, ziemlich genau in der Mitte zwischen Abzweigung und Unterwendling. Wie ist diese Lage morphogenetisch zu beurteilen? Der Fundort liegt im Bereich der Grundmoräne, die der Salzach-Saalach-Gletscher in der abklingenden Würmeiszeit dort hinterlassen hat. Wenn man es genauer nimmt, ist der Saalach-Eisstrom dafür verantwortlich, weil die Grenze zwischen diesem und dem Salzach-Vorlandgletscher weiter östlich im Drumlinfeld von Lampoding-Hohenbergham verläuft. Der westliche Teil des Vorlandgletschers erreichte zur Zeit des Würm-Hauptvorstoßes den Bereich zwischen Traunwalchen und Palling und hinterließ dort die Endmoränen der sogenannten Unterweißenkirchener Phase. Im Bereich des Unterwendlinger Fundorts hinterließ der Gletscher eine dicke Decke von Geschiebemergel, auch Till genannt, der als Grundmoräne die darunter liegenden Molasseschichten überlagert. In diesen Till ist dieser Findlingsblock in Wonneberg eingebettet. Unterwendling liegt im Bereich der Eiszerfallslandschaft (Deglaziationslandschaft) zwischen dem Teisendorfer und dem Waginger Zungenbecken.
Eisrandsee im Teisendorfer und Tittmoninger Becken
Als sich der Gletscher gegen Ende der Eiszeit von den voraus liegenden vierfach gestaffelten Endmoränen löste, zog sich der Gletscherrand sukzessive von Nordwesten nach Südosten zurück. Es bildete sich ein erster Eisrandsee im Teisendorfer und auch im Tittmoninger Becken. Die beim Gletscherzerfall entstehenden riesigen Wassermengen flossen entlang des Gletscherrandes von dem einen See zum anderen ab und gruben sich tief in den Untergrund ein. Die Erosionsarbeit ist heute in Form der von Süd nach Nord verlaufenden Gräben sichtbar: Panolsgraben, Dobelgraben, Forstgraben, Eisgraben. Dieser Findling wurde im Zusammenhang mit der sogenannten Waginger Eisrandlage an seinen Ort gebracht. Der Gletscherrand lag zu dieser frühen Phase des Eiszerfalls bei Plattenberg - Sankt Leonhard - Wolfsberg und führte zur Anlage des tiefen Panolsgrabens. Damit ist eine zeitliche Zuordnung des Ablagerungsvorgangs gegeben. Der Autor und mit ihm der Heimatverein hoffen, mit dieser vorliegenden Dokumentation einen Beitrag dazu zu leisten, dass ein kaum beachtetes Naturdenkmal nicht ohne jede Erwähnung wieder dort verschwindet, wo es zum Vorschein kam.
Von Willibald Fritz - Quelle: PNP
Weitere Bilder zum Kalkstein-Findling in Unterwendling