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Leonhardkirchen, von Ketten umgürtet

(Beilage zum Kirchenanzeiger Nr. 57)

 

Jeder von uns kennt wenigstens eine Leonhardskirche, die an der Außenmauer von einer Eisenkette umgeben ist. Dem heiligen Leonhard, dem „Eisenherrn“, wurden im Gebiet seiner Verehrung eiserne Votivgaben dargebracht. Aigen am Inn (Landkreis Passau) und Ganacker (Landkreis Dingolfing-Landau) sind die bedeutendsten Eisenopferorte Bayerns. Die Traunwalchener opferten in früherer Zeit, wie die dortige Pfarrchronik berichtet, alljährlich eine Pflugschar zu uns nach St. Leonhard. Die Bedeutung der Kette ist klar: es sind die gelösten Gefangenenketten. Die Volkskundler können sich jedoch den uralten Brauch, Kirchen mit Ketten zu umgeben, nicht erklären. Unter anderen sind es die Leonhardkirchen in Ganacker, Hilperting (Landkreis Rosenheim), Dillingen, Lengries (hier ist die Kette an der Innenwand angebracht), Neukirchen (Landkreis Rottal-Inn), St. Leonhard ob Tamsweg im Lungau, das Leonhardikirchlein in Bad Tölz und St. Leonhard hoch über Brixen (Südtirol).

Die älteste urkundlich Erwähnung einer solchen Kettenkirche haben wir von der Kirche St. Leonhard im Lungau, wo es in einem Visitationsprotokoll 1613 heißt (übersetzt): „umgeben von eisernen Ketten und Draht aus reinem Eisen.“ An  diese Ketten ranken sich Sagen, Legenden und Prophezeiungen. So soll die Kette um die Leonhardkirche in Bad Tölz auf ein Gelübde zurückgehen, das ein Bauer nach Rettung aus Todesnot abgelegt hat. Von der Kette in St. Leonhard oberhalb Brixn heißt es: wenn sie die Kirche in siebenmal umspannt, – jedes siebte Jahr wird ein neues Glied angefügt – wird die Welt untergehen.

In Aigen am Inn befindet sich ein Gemälde aus der Barockzeit, das die Hingabe an den heiligen Leonhard in rührender Weise darstellt: Der Geistliche und der adelige Grundherr knien auf freiem Feld vor der gesamten Kirchengemeinde. Sie alle sind mit einer offenbar schweren Eisenkette an den Heiligen eingeschlossen, wobei der Heilige durch eine Wolke das Ende der Kette in seinen Händen hält.

Für uns Altbayern sind unsere Heiligen keine in weite Ferne entrückte himmlische Gestalten; wir stehen mit ihnen auf vertrautem Fuß. Freilich gründet sich die Verehrung auf das bäuerliche Nützlichkeitsdenken: sie sollen vor allem helfen. Der bayerische Erzähler Korbian Lechner sagt von ihnen: „Andere mögen schönere Heilige haben, aber bessere gar nie und vor den unsrigen beugen wir das Knie.“ Manche Gedichte über unsere Heiligen mögen für Nicht-Bayern frivol klingen, sind es aber nicht, wie z.B. die „Pinzgauer Wallfahrt“, und so auch das folgende Gedicht von Korbian Lechner:

Schau, des is a Leonhard!
Wer mit Roß und Ochsn fahrt,
Ko net  drauf verzichtn,
Muaß si zuaririchtn.
Ohne Hartl konnst nix macha,
Ohne Hartl, do tats kracha.
Drin und draußt, in Haus und Stoi,
Hint und vorn und überoi.
Überoi und jederzeit
Ko’s passiern, daß cana schreit:
O heiliga Hartl im Himmi do drobn,
O heilioga Hartl, wia müaß ma di lobn!
Wia müaß ma di lobn und wia müaß ma di preisn,
Und werst do grod mi net vo deiner Tür weisn!
Wo aus und wo ei, des woaß i schia nimmer:
D’Säu ham an Rotlauf, um d’Roß stehts no schlimmer,
Koa Kuah gibt a Milli und d’Henna san Luader,
Sie legn koane Oar net und fressn grad `s Fuatter.
O himmlischa Helfer, so laß dir’s nur sagn,
O heiliger Hartl, ja laß dir’s nur klagn.
Oder warst denn du scho so,
Aber g’feit waars na do scho,
Wenns wirkli so waar;
Daß d’mi hoamschickest laar!
Und na hot er gholfa und kriagt a sein Dank:
s Verlöbnis wird ghaltn, und a Kirz de brinnt lang,
Bouid ma s’oamoi ozündt und hierauf nimmermehr.
Es muaß eahm scho recht sei: Er hat ja sei Ehr!