(Beilage zum Kirchenanzeiger Nr. 59)
In der letzen Ausgabe haben wir von der „ungemeinen Wohlhabenheit“ unserer Vorfahren um das Jahr 1850 gehört. Lentner, der unseren Rupertiwinkel beschreibt, führt dann fort:
„Das Volk, materiell so wohl bestellt, ist es desto weniger in geistiger und gemütlicher Beziehung. Es ist durchaus nicht ohne Anlage und natürlich Gaben, aber in Folge elenden Unterrichts und geistlicher Herrschaft sehr verwahrlost. Wenn diese Leute in der Schule gerade noch schlecht lernen, so bleibt trotzdem kaum das Notdürftigste an ihnen haften. Es gibt Burschen, die nach vollendeter Feiertagsschule häufig vergessen und bei Gericht mit drei Kreuzen unterzeichnen. Ihre ganze Geistestätigkeit ist auf Erwerb gerichtet und diese Erwerbssucht steigert sich häufig bis zum Geiz. Für alle Handgriffe und Vorteile, die ihre Begierde nach Gewinn fördern, haben sie auch großen Eifer und viel Geschick. Sie tun vieles für Bodenkultur und verstehen sich trefflich auf den Getreidehandel bis zur Wucherei.
Sie sind auch äußerst fleißige und ausdauernde Arbeiter und verhalten die Kinder mit dem frühesten Alter zu gleicher Tätigkeit. Seine Wohlhabenheit gibt hier zu Lande dem Bauer eine Art von Selbstbewusstsein, das freilich sehr oft zum Bauernstolz im schlimmen Sinne wird. Er will von aller Welt anerkannt und als ebenbürtig behandelt sein, ist jedoch bei seiner geistigen Beschränktheit durch eine Art wohlwollender Überredung leicht zu lenken. Rohe Gutmütigkeit ist der Grundzug seine Gemütes. Im Handel und Wandel hält er sich ziemlich reichlich, hält mit dem Nachbarn fest zusammen und ist sehr wohltätig, sodaß Verunglückte durch Beihilfe das Verlorene meist ganz oder darüber erhalten. Er ist sparsam und führt ein dumpfes Hausleben ohne Prunkt und Genußsucht; es gibt keine Trinker und Spieler und in den Wirtshäusern wird es früh Feierabend. In seinen äußeren Formen ist er plump und unbehilflich; besonders hat das Benehmen junger Burschen auch bei ihren Lustbarkeiten etwas abstoßendes Rohes. Mit ihrer Moralität im engeren Sinne nehmen sie es sehr oberflächlich. Die Zahl der unehelichen Kinder zu den ehelichen verhält sich wie 1 : 4 oder 5. Von einer geistigen oder gemütlichen Auffassung der Religion ist keine Spur; es herrscht hier blinder Kirchenglaube, ein Übermaß von Formenwesen und nicht selten Frömmelei.“
„Ein Hauptgrundzug des Volkscharakters dieser Gegend ist der gänzliche Mangel an Offenheit und Vertrauen gegen alles, was nicht Bauer ist, besonders gegen die Obrigkeit, von der sie grundsätzlich nur Bedrückung, Plünderung, Überlistung und dergleichen befürchten. Daher beruht auch ihr ungemein durchgeführtes Geheimhalten ihres Wohlstandes, daher die Übergaben mit der niedrigsten Wertsbezeichnung. Privatteilungen der Barschaft ohne gerichtliche Versicherung, verzögertes Abzahlen von Kapitalien, geheimes Ausleihen von Geldern ohne Verbriefung, weniger aus Ehrlichkeit als aus Furcht von Taxen und Besteuerung und das allgemein übliche Geheimhalten des Barbesitzes, wobei sehr häufig das Vergraben und Vermauern desselben vorkommt, sodaß sogar einige Fälle gerichtlich vorliegen, dass nach dem plötzlichen Tode des Besitzers solches Geld nicht mehr gefunden werden konnte, weil er den Ort selbst seinen Angehörigen geheim hielt, wie es denn selbst bei den Sperrkommissionen (Verlassenschaft vor dem Notar) bereits eine stehende Frage ist, ob nirgends ein Geld vergraben sei.“
An Bräuchen berichtet Lentner: „Nach dem Kirchgang wird dem Wirtshaus ein Besuch abgestattet. Auch zuhause wird ein kleines Festessen verzehrt. Bis zum Austritt aus der Schule geben die Paten den Kindern regelmäßig Patengeschenke: zu Ostern Eier, zu Allerseelen den Wecken, bei Knaben ein Horn, bei Mädchen einen Zopf. Zum Schluße wird die sogenannte Ausfertigung gegeben, bei Buben bestehend in Hut und Hemd, bei Mädchen in einem Mieder oder Tuch mit dem Börtel.
Das ‚Gsturim vatrinka’ – den Verstorbenen vertrinken heißt der Totentrunk, der nach einem Begräbnis in einem Wirtshaus gehalten wird. Bei den Gottesdiensten werden Spenden für die Armen gereicht.“ Lentner berichtet auch von den Totenbrettern, die damals in unserer Gegend aufgestellt wurden.