(Beilage zum Kirchenanzeiger Nr. 58)
Im Jahre 1850 gab der bayerische König Max II den Auftrag, sein Königreich und seine Bewohner genau zu beschreiben. Diese Notwendigkeit ergab sich dadurch, weil Jahrzehnte zuvor sein Land um ein wesentliches vergrößert wurde. Zu alten verhältnismäßig kleinen Herzogtum Bayern waren hinzugekommen: die geistlichen Fürstentümer Bamberg, Würzburg, Regensburg, Augsburg, Eichstätt, Freising, Passau, Berchtesgaden und ein Teil des Landes Salzburg, eben unser Rupertiwinkel, dazu noch reichsunmittelbare Abteien und freie Reichsstädte.
Mit der Beschreibung des Rupertiwinkels wurde der 1814 in München geborene Josef Friedrich Lentner beauftragt. Der Begriff „Rupertiwinkel“ war damals noch nicht üblich. Er bezeichnet unseren Rupertiwinkel als „Salzburger Land“ und beruft sich dabei auf den „Mund des Volkes“. „Wir haben, so schreibt er, diese Bezeichnung umso mehr beibehalten, als die Bewohner in ihre Sitten und Gewohnheiten mit denen das salzburgischen Thalgaues vollkommen übereinstimmen.“
In seiner Arbeit schildert er ausführlich die Bewohner dieses Landstriches, also unsere Urgroßväter. Wenn wir seiner Schilderung folgen, können wir selbst beurteilen, welche Fortschritte wir in 130 Jahren gemacht haben. Er schreibt:
„Es bewohnt dies Land ein Menschenschlag von großer Dauerbarkeit, stark, über Mittelgröße, sehr gesund und rüstig, gerade nicht unbildsam in Zügen und Gestalt, besonders die jüngeren Mädchen und Weiber von runden gefälligen Formen und sinnlich heiteren Gesichtern. Die Leute erreichen meist ein hohes Alter; sie heiraten spät, haben daher wenig Kinder; drei bis vier treffen im Durchschnitt auf eine Familie. Es gibt viele freiwillige Cölibaten (Ehelose); Wittwer und Witwen hausen mit ihren Kindern bis in späte Tage fort, ohne an eine Übergabe zu denken; auch Geschwister wirtschaften zusammen, wobei sie den Ältesten ohne Verabredung als Oberhaupt anerkennen. Es bestehen hiergleichen Fideicommisse (= unteilbares Familienvermögen), indem die Güter zu äußerst geringen Anschlägen dem Erben übergeben werden. Ein Besitztum von 12.000 Gulden Wert wird mit 3.000 bis 4.000 Gulden eingeschätzt; die übrigen Kinder halten sich dadurch durchaus nicht verkürzt und begnügen sich mit dem Anteil, der ihnen aus dem gleichmäßig verteilten Barvermögen des Erblassers zufällt, welches bei den meisten Bauern ein ziemlich beträchtliches ist. Auf keinem Gut lastet hier Verschuldung, alles wird abgezahlt und in jedem Hause befindet sich Barbesitz.
Es gibt wenig sogenannte Häusler, auch die Zubauern und Taglöhner, die in einem Nebenhause saßen, daß dem Hofbesitzer gehörte, werden von den Bauern selbst allmählich abgestellt, weil sie keine ärmeren Familien in den Gemeinden haben wollen. Die Besitztümer sind ungemein ausgedehnt und bestehen in 100 bis 160 Tagbau, meist Feldung zu Roggen, Korn und Haber, dazu an Wiesen und Holz nach Bedarf. Ein Besitzer von 80 Tagwerk gilt als Bauer, mit 40 als Bäuerl. Ein Söldner hat deren 8 bis 20. Jeder Bauer hält sich zwei bis vier Mähnen (Gespanne), zur Hälfte in Pferden, zur Hälfte in Ochsen. Melkvieh wird in geringerer Zahl gehalten, meist 8 bis 10 Stück, im Süden das doppelte, weil dort mehr Wiesbau betrieben wird. Dagegen betreibt man mit bestem Erfolge Ochsenmastung und Zucht erkaufter einjähriger Pferde. Aus diesen glücklichen Verhältnissen entspringt die ungemeine Wohlhabenheit dieser Leute.“
Über das Tanzen, das früher gar nicht so häufig war, schreibt er: „ Der einzige Tanztag des Jahres ist die Kirchweihe, der höchstens noch am Nachkirchweih ein Abendtanz folgt. Der Achter- und Sechsertanz war früher allgemein üblich; erst um das Jahr 1802 begann die Einführung des Walzers. Etliche Bubenverstehen sich auf das sogenannte Achterschlagen und auf das ‚Auf und ab‘, ein Tanz, bei dem das Paar ein bestimmtes Brett nicht verlassen darf.“ In einer Laufener Geschichte heißt es 1802: „Alles will im Kreise walzen und sogar auf dem Lande verstehen dieses viele schon mit gestoßenen regelmäßigen Schritten zu tun.“