(Beilage zum Kirchenanzeiger Nr. 47)
Der Zehent, der durch Jahrhunderte an den Pfarrer oder an die Kirche zu entrichten war, wurde erst 1848 durch die Zahlung einer Geldsumme für alle Zeiten abgelöst und abgeschafft. Der Zehent war zwar grundsätzlich in Naturalien zu leisten, häufig jedoch versuchten die Bauern, den Zehent in eine Geldleistung umgewandelt zu bekommen, vor allem in Zeiten von Missernten und Teuerungen. Wenn diese Bitte vom Pfarrer gewährt wurde , dann immer nur auf ein paar Jahre. 1661 wird der Waginger Pfarrer von der vorgesetzten Stelle befragt, warum er den Zehent nicht in natura habe einheben lassen. Der Pfarrer schreibt, dass er nur bei drei Untertanen den Zehent in Naturalien eingehoben habe und wegen der weiten und üblen Wege bei allen anderen in Geld. Die Einhebung im Sack oder auf dem Feld sei ihm zu kostspielig. "Ist solcher allezeit mit Geld eingelöst worden" schreibt er. Und wenn er das Stroh nicht so notwendig gebraucht hätte, hätte er auch bei den drei anderen Bauern Geld und nicht Getreide eingefordert.
Im Jahr 1645 beantragen mehrere Bauern aus KapeIl, die Umwandlung des Zehents, den sie der Kirche St. Leonhard schuldeten, in Geld bewilligt zu bekommen. Der Pfarrer lehnte ab und sagte den Bauern, "man nehm derzeit das Geld nit mehr". Damals herrschte also Teuerung oder eine Art Inflation. 1649 wiederholten die Kapeller ihre Bitte, wurden aber wiederum abgewiesen.
Bereits ein Jahr später, also 1670, kamen diese Bauern mit der gleichen Bitte zum Pfarrer mit der Begründung, sie hätten nur soviel Getreide, als sie notwendig selbst bräuchten. "In Erwägung der großen Teuerung und höchster Armut“ möge ihnen wenigstens dieses und die folgenden 5 Jahre gestattet sein, den Zehent mit insgesamt 24 Gulden abzulösen. Auch diese Bitte wurde vom Pfarrer abgeschlagen und er bestand auf Ablieferung des Zehents in Naturalien.
1656 bitten die beiden Töfenreuter Bauern Christoph Eglseer und Adam Madreiter ebenfalls, den Zehent, den sie der Leonharder Kirche schulden, mit Geld leisten zu dürfen. Auch dieses Gesuch wurde vom Pfarrer abschlägig beschieden. Trotzdem geht aus den Archiven hervor, dass der Zehent wenigstens zeitweise mit Geld abgelöst wurde. Im Jahre 1671 schreiben verschiedene Bauern, nämlich die beiden Töfenreuter, der Bauer von Aich Georg Pruner und die KapeIler Bauern Christoph Wörnzl, Jakob Wimmer, Martin Böck und Christoph Schmiek, der Zehent sei vor einiger Zeit abgelöst worden, aber seit einigen Jahren sei die Möglichkeit der Geldablösung wieder aufgehoben worden, was den Bauern wegen des weiten Weges nach Waging viel Beschwerde mache.
Der Geldbetrag für die Zehentablösung war natürlich nicht gleichbleibend, das hing vor allem mit dem jeweiligen Getreidepreis zusammen. So wurde 1668 „den Kapellern und Consorten" der sie betreffende Zehent (zusammen 5 Kübel Weizen = 22 Ztr., 1 Kübel und 58 Metzen Korn = 35 Ztr., 33 Metzen Haber = 11 Ztr. und 16 Pfund Haar = 9 kg) zum damaligen Marktpreis von 32 Gulden (fl) und 55 Kreuzern (kr) abgelöst. 1672 schlug der Pfarrer die Summe von 30 fl vor und 1741 bereits 41 fl. In diesem Jahr beriefen sich die Kapeller Bauern auf den schweren Schauer und auf die Teuerung "da man um Bargeld kaum etwas bekommen könne."
1800 waren die Getreidepreise stark gestiegen und der Zehent für die „Kapeller und Consorten" wurde auf 154 fl 16 kr und 3 Pf. festgesetzt. Dieser Betrag wurde dann allerdings für ein Jahr auf die Hälfte, also auf 77 fl 8 kr und 1 1/2 Pf. herabgesetzt. (Eine Kuh kostete 1800 40 - 56 fl.).
Der Zehent für den Aicher Bauern Pruner betrug 2 Metzen Korn (55 kg) und 2 Metzen Haber (33 kg), für den Bauern Christoph Eglseer (Vordertöfenreut) 5 Metzen Korn (133 kg) und 5 Metzen Weizen (140 kg), ebensoviel für seinen Nachbarn Adam Madreiter. (Der Zehent war beileibe nicht die einzige Abgabe, dle die Bauern in alter Zelt zu erbringen hatten.)