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Ein preußischer Gessenberger gerät mit den Wonneberger Gemeinderäten in die Haare (3)

(Beilage zum Kirchenanzeiger Nr. 95)

 

Das Antwortschreiben Moeltgens auf den Brief des Wonneberger Bürgermeisters verrät die unerträgliche preußische Arroganz des Gessenbergers: Zunächst schildert er wiederum die Notlage Heitauers und fährt dann fort: "das hätten Sie alles wissen müssen, mitfühlen und zur Sprache bringen müssen. Und Sie hätten besser getan, mein erstes Schreiben einzupacken und mit einem neuen Gesuch an das Kriegsministerium zu schicken, anstatt sich mir gegenüber als "Behörde" aufzuspielen. Sie sind für mich keine Behörde. Ihrer Bauerngemeinde gegenüber, über deren Wohl und Wehe Sie walten sollen (auch über die Haidauers!) mögen Sie sich Behörde schimpfen! Ihre Erklärung, daß Ihre angeblich vielen, langjährigen und unentgeltlichen (!!!) Bemühungen für Haidauer höheren Orts in den Papierkorb gewandert sind, bedeutet für Sie nur ein Armutszeugnis.

 

Nun schreibt Moeltgen seIbst ein Gesuch an das Kriegsministerium, um die Wonneberger Gemeindeväter zu blamieren. In diesem Schreiben zieht er über die Gemeinde her und schwärzt sie an. Den Brief unterschreibt er aber nicht mit "Moeltgen-Gessenberg", sondern nur mit "Moeltgen", natürlich mit dem unvermeidlichen "Königl. preußischer Leutnant a.D. und Schloßgutsbesitzer“. Die Gemeinde hatte in einem Schreiben an eine Behörde geschrieben, dass sich Moeltgen zu Unrecht "Moeltgen-Gessenberg" nennt. Der Name hätte ihm halt gar so gut gefallen.

 

In einer langen und detaillierten Rechtfertigung wendet sich die Gemeinde an die Obrigkeit und schildert nochmals die Einkommens- und Familienverhältnisse Heitauers, erwähnt auch nochmal den guten Leumund und die körperlichen Beschwernisse: Schwerhörigkeit, Schwachsichtigkeit, alter Herzfehler, Arteriensklerose, beiderseitiger Leistenbruch. Die Gemeinde betont ihre langjährigen Bemühungen um Heitauer. Und über die Tochter Rosalia berichtet die Gemeinde: "Was die Tochter Heitauers betrifft, so haben zahlreiche Nachfragen und Beobachtungen ergeben, daß dieselbe ,sehr leicht sich um einen kleinen Verdienst umsehen könnte. Die beiden Kinder gehen morgens um 7 Uhr in die Schule und kommen vor 3 bis 1/2 4 nicht nachhause. Die Mutter braucht nicht den ganzen Tag Pflege. Und bei dem wahrhaft herrlichem Wohltätigkeitssinn unserer Bevölkerung (!) würde sie Näharbeiten ins Haus bekommen, wenn sie sich darum kümmern würde."

 

Die ganze lange Geschichte hat ein trauriges Ende. Die Gemeindeverwaltung schreibt am Schluss ihrer Rechtfertigung: "Ohne in die weitere Behandlung des Gesuches eingreifen zu wollen, ist die Gemeindeverwaltung gezwungen, noch folgendes zu erklären: und zwar nach gründlicher Besprechung im Ausschuß: Wenn Heitauer durch das Gesuch Herrn Moeltgens eine Unterstützung bekommt, so wäre dies eine solche niederdrückende Blamage für die Gemeindeverwaltung, daß ihr jede Arbeit unmöglich gemacht würde, und der Satz des Leutnants Moeltgen "Armutszeugnis" betreffend, könnte als berechtigt angesehen werden. Im Interesse des Ansehens der Gemeindeverwaltung - bekanntlich hat diese Behörde so schon einen sehr schwierigen Stand - ist es also gelegen, daß das Gesuch des Herrn Leutnant Moeltgen nicht berücksichtigt wird, so begrüßenswert dies auch für Heitauer wäre." Unterschrieben: Lechner, Bürgermeister, Johann Mayr Beigeordneter, Joset Zauner, Joset Hirschhalmer, Jakob Tradler, Franz Reiter.

 

Man sieht, dass nicht nur Staaten vor dem Problem der Güterabwägung stehen, sondern auch Gemeinden. Die Gemeinde konnte zufrieden sein: Heitauer bekam keine Rente.

 

Heitauer starb, wie aus dem Familienbuch hervorgeht, 1922, seine aus Böhmen stammende Ehefrau 1930. Die Enkeltochter Johann Heitauers, die Tochter der öfter erwähnten Rosalia Heitauer, verheiratete sich mit Anton Huemer. Sie verkauften ihr Anwesen an Georg Frank.