(Beilage zum Kirchenanzeiger Nr. 03)
Die Entstehung unserer Oster- und Leonhardi-Ritte sowie der vielen Wallfahrten zu unserer Kirche, liegt im geschichtlichen Dunkel. Urkunden oder Berichte darüber sind vor dem Jahre 1784 nicht vorhanden. Wir können nur indirekt nachweisen, dass unsere Ritt-Tradition älter als 500 Jahre sein muss.
Im Pfarrarchiv Tengling befindet sich die Abschrift eines päpstlichen Breves, datiert vom 25.Februar 1489, dem Erbauungsjahr unserer jetzigen Kirche. Das Breve ist im speziellen Auftrag Papst Innozenz VIII vom Kardinalbischof Julianus unterzeichnet. Darin wird den Tenglingern und Tachingern weiter erlaubt, ihren Osterritt abzuhalten. Zwei Sätze darin sind für uns wichtig: es heißt, dass solche Ritte auch in anderen benachbarten Orten üblich sind ("prout etiam in aliis vicinis locis") und, dass sich kein Mensch daran erinnern kann, dass diese Ritte nicht stattgefunden hätten ("jam dudum per tanta et ante longissima tempora ex quibis quasi memoria hominum non existit"). Einer dieser benachbarten Orte, die "seit unvordenklichen Zeiten" Ritte abhielten, muss unser St. Leonhard gewesen sein.
Wie könnte man es sich sonst erklären, dass ein Dorf, das seit Jahrhunderten nur drei Höfe zählte - Posch, Lenz und Mesner - ein für die damaligen Verhältnisse so geräumiges Gotteshaus mit aufwendiger Einrichtung, ausgestattet mit Fresken und Gemälden des berühmten Laufener Malers Gordian Guckh, hätte errichten können, wenn nicht lange Zeit vorher eine blühende Wallfahrt bestanden hätte.
Auf Grund dieser Überlegungen müssen wir annehmen, dass unsere Wallfahrt schon seit 500 bis 600 Jahren besteht. Durch sie wurde der Reichtum unserer Kirche begründet, der bis zur Inflation nach dem 1.Weltkrieg anhielt.
Ein Rechtfertigungsschreiben des Waginger Pfarrers an das Salzburger Consistorium, datiert vom April 1784, beweist, dass wir neben dem Leonhardi-Ritt auch einen Osterritt hatten, zu dem von weit her Leute kamen. Das vom Salzburger Erzbischof Colloredo verfügte Verbot des Rittes und der Abhaltung einer Messe am Ostermontag konnte nicht mehr rechtzeitig verkündet werden, sodass der Pfarrer sich entschloss, in St. Leonhard doch eine Messe lesen zu lassen "wegen des allgemein bekannten ungemein großen Zutrauens des Volkes zu diesem großen Wunderheil, damit das aus weit entlegenen Orten herbeikommende Volk an einem und ihm einzig noch verbliebenen gebotenen Osterfeiertag, das gleichwohl dem Gebot der heiligen Kirche mit Anhörung einer heiligen Messe genug tun könne". Dazu muss man wissen, dass Erzbischof Colloredo neben vielen anderen Feiertagen auch den Osterdienstag als gebotenen Feiertag abgeschafft hatte.
Der Brief des Pfarrers schließt: "Welch gehorsamsten Vollzug denn nebst genauester Darobhaltungszusage hiermit in aller Untertänigkeit haben einberichtet und mich zu fürwährendem Hohen Gnaden untertänigst gehorsamst empfehlen wollen". (Wir werden sehen, dass der Pfarrer seine "Darobhaltungszusage" nicht einhalten konnte).
Aus der Zeit um 1750 stammt ein Leonhardi-Lied:
Sankt Leonhard sey dieser Mann,
der also miltreich zugethan,
dem Vieh, den Küh, den Rossen:
Deswegen his zue Dankbarkeit
auch nach verwichner Sommerzeit
noch jährlich gar viel Hüeter
ihm opfern ihre Güeter.