(Beilage zum Kirchenanzeiger Nr. 20)
Wie kleinlich die staatlichen Aufsichtsbehörden, oder, wie es damals hieß, die "Curatelämter" waren, ersehen wie aus dem Brief der Königl. Regierung von Oberbayern von 20. August 1894, in dem die Genehmigung zum Aufstellen des neuen Hochaltars erteilt wird (siehe Beilage Nr. 19) und worin es weiter heißt:
"Was dagegen die Frage der Kostendeckung anlangt, so erscheint dieselbe zur Zeit noch nicht vollständig bereinigt, denn der erforderliche Gesamtaufwand beträgt 8120 Mark, während nach Beschluß der Kirchenverwaltung St. Leonhard nur 8009 Mark aus Mitteln der Kirchenstiftung eingezehrt werden sollen. Über die Aufbringung des Restes von 120 Mark fehlt es daher noch an einer giltigen Beschlußfassung. Es ergeht demnach der Auftrag, ergänzenden Beschluß der Kirchenverwaltung zu veranlassen und nach niederkuratelamtlicher Würdigung in Vorlage zu bringen.“
"Schließlich ist noch im Vollzuge der Regierungsentschließung vom 28. April 1893 Nr. 15321 über die Verwendung des bisherigen Altars in der Kirche St. Leonhard Äußerung der Kirchenverwaltung zu erholen, und mit gutachtlichem Berichte vorzulegen."
Die Wonneberger hatten mit dem Stand der Dinge also zufrieden sein können. Alle Schwierigkeiten schienen beseitigt, der ganze bürokratische Kram mit der Vielzahl der Behörden schien erledigt. Da flatterte aus heiterem Himmel am 8. Februar 1895 eine Mitteilung des Laufener Bezirksamtes auf den Schreibtisch des Pfarrers. Darin hieß es:
"Auf die neuerliche Vorlage der Kirchenverwaltung St. Leonhard rubricierten Betreffs erging am 5. des Monats (Februar) Entschließung der Königl. Regierung des Inhalts, daß bis auf weitere Anordnungen, welche demnächst erfolgen werden, der Abbruch des Hochaltares in der Kirche St. Leonhard strengstens untersagt ist. Dies wird zur Darnachachtung mitgeteilt."
Man kann den Pfarrer von Waging sehr wohl verstehen, wenn ihm daraufhin der Kragen platzte. So schrieb er am 9. Februar 1895 an das Königliche Bezirksamt Laufen:
"An das Königl. Bezirksamt zurück mit dem Bemerken, daß, nachdem die Königl. Regierung unterm 20. August 1894 die Aufstellung des neuen Altars ohne irgendwelche Bedingung genehmigt hat und außerdem noch im vorigen Jahr von dem bereits vollzogenen Abbruch in Kenntnis gesetzt wurde, dieselbe Regierung unmöglich im Februar 1895 den Abbruch des alten Altares wird haben verbieten wollen. Es wird anstatt "Abbruch" wohl heißen müssen ‚Veräusserung‘, nachdem es sich ja nur mehr um diese handeln kann. Mensa und Tabernakel bleiben natürlich in der Kirche."
Am 13. Februar 1895 antwortete das Königl. Bezirksamt Laufen: "Mit der betreffenden Entschließung will die Königl. Regierung offenbar die Erhaltung und anderweitige Verwendung des nach Sachverständigen-Gutachten schönen und gut erhaltenen Altares bezwecken und hat die betreffende Antwort jedenfalls um deßwillen getroffen, weil in einem der neuerlichen Beschlüsse der Kirchenverwaltung erwähnt ist, daß die Holzteile des alten Altars nur als Brennholz verwendbar seien".
Der Altar wurde errichtet und am 20. April 1895 ging die Rechnung ein: 7320 Mark für den Altar und 450 Mark Ausmalung des Preshyteriums. Des weiteren wurde ein Altarkreuz um 26 Mark angeschafft.
Die Kirchenverwaltung war verpflichtet, das ausgegebene Kapital innerhalb einer gewissen Zeit, in diesem Fall innerhalb 21 Jahre wieder anzusammeln (refundieren). Aus dem Refundierungsplan geht hervor, dass die Kirche 1871 Zinsüberschusse von 850 Gulden, 9 Kreuzer und 3 Pfennigen hatte, d.i. 1457 Mark und 42 Pfennige und 1890 1136 Mark. Im gleichen Jahr hatte die Kirche St. Leonhard für die "Erweiterung der Pfarr- und Mutterkirche Waging" ebenfalls 8000 Mark gestiftet.